Beeindruckende Ausstellung einer aussergewöhnlichen Künstlerin neigt sich dem Ende zu
[la] Es ist nun schon eine geraume Zeit her, als am 9. September 2018 im Finanzcenter der Sparkasse Gevelsberg-Wetter wieder einmal eine besondere Kunstausstellung eröffnet wurde.
Clarissa S. Bruhn stellte einem interessierten Publikum unter dem Titel “Abdruck und Berührung” Werkgruppen ihrer letzten Arbeiten vor, mit denen sie sich in den letzten Jahren auseinandergesetzt hatte. hre wunderschönen Keramikfiguren definieren die Bildnisskulpturen auf eine neue Art.
Bei ihren Werken fällt eine Portraitähnlichkeit auf, die andererseits eine archetypische Figürlichkeit vorweist. Durch ihre Arbeiten mit verschiedenen Erden erhalten die Figuren eine faszinierende, gleichfalls aber auch irritierende Wirkung. Es ist eine Einmaligkeit, die man niht so leicht bei Arbeiten anderer Künstler vorfindet. 20 Aquarelle und Pastelle, sowie 25 Skulpturen regen den Betrachter an, sich mit dieser besonderen Art der Darstellung persönlich auseinanderzusetzen.
Anlässlich der Vernissage begrüßten Stefan Biederbeck, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Gevelsberg und Thomas Biermann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Gevelsberg-Wetter, besonders die extra aus Basel angereiste Clarissa S. Bruhn.
Scott Lawton und Joachim Drux vom Landespolizeiorchester an Keyboard und Klarinette untermalten die Vernissage mit wundervollen Melodien.
Stefan Biederbick betonte zudem, dass es der Stadt und der Sparkasse Gevelsberg-Wetter durchaus wichtig ist, dass Kunst und Kultur auch für die Kleinsten begreifbar ist und lobte daher den Einsatz von Annette von Bruch, die wieder einmal von der Malschule Maldumal mit Schülerinnen und Schülern der vierten Klassen der Gevelsberger Grundschulen und der Förderschule mit pädagogischem Begleitprogramm die Ausstellung besichtigen und später eigene Kunstwerke aus verschiedenen Materialien – angelehnt an die Arbeiten der Künstlerin – anfertigen werden. Diese werden dann bei einer Finissage am 12. Oktober um 15:00 Uhr im Gevelsberger Rathaus ausgestellt.
Schon zum 16. Mal war als Kurator Günther Troll dabei, der die Künstlerin und ihre Werke in besonderer Weise zu würdigen wusste.
Wir danken ihm, dass er uns seine beeindruckende Rede zur Veröffentlichung übersandt hatte. Für uns ist es sehr wichtig, jede Facette dieser Künstlerin zu erfassen, was uns durch die Bereitwilligung von Günther Troll gelungen ist. An dieser Stelle unseren Dank an den Kurator.
Nun neigt sich diese Ausstellung ihrem Ende zu. Bis 5. Oktober 2018 können noch interessierte Kunstliebhaber, die bisher nicht den Weg in die Sparkasse Gevelsberg-Wetter gefunden haben, zu den normalen Öffnungszeiten der Sparkasse die Kunstwerke eingehend betrachten.
Rede Günther Troll zu Clarissa S. Bruhn
[Günther Troll]
Sehr geehrte Gäste,
Unter dem Titel “ABDRUCK UND BERÜHRUNG” stellen wir Clarissa S. Bruhns Arbeiten vor. Die Ausstellung berücksichtigt Werkgruppen, mit denen sich die Künstlerin in den letzten Jahren immer wieder auseinandersetzte. Keramikfiguren definieren die Bildnisskulptur neu. Ihr bildhauerisches Konzept ist die Porträtähnlichkeit einerseits und die archetypische Figürlichkeit andererseits. Trotz des großen Realitätsgrades der Figuren, die farbige, engobierte Fassung und nicht zuletzt das Arbeiten mit verschiedenen Erden, verleiht den Figuren eine faszinierende und irritierende Wirkung, fast unwirklich und entrückt. Zeitgebundenheit und Zeitlosigkeit durchdringen sich in einem künstlerischen Konzept, zwischen Tradition und Avantgarde. Seit vielen Jahren widmet sie ihr gesamtes Schaffen der Auseinandersetzung mit der Materialität und Wahrnehmung der menschlichen Figur. Wie wenigen gelingt es ihr, die Figur als künstlerisches Medium sinnlich und geistig erlebbar zu machen.
Als ich mit den Terracotta-Figuren begann, so Clarissa S. Bruhn, kam hinzu, dass diese ja durch den Brand die Farbe wechselten. Ich begann mit verschiedenen farbigen Erden die Skulptur zu gestalten, fasziniert auch von den Möglichkeiten verschiedener Oberflächen-strukturen, da verschiedene Erden sich unterschiedlich verhalten. Schon die Griechen nutzten in unnachahmlicher Kunstfertigkeit verschiedenfarbige Erden und die Möglichkeit durch Sauerstoffentzug beim Brennen, diese zu verwandeln, für die Gestaltung ihrer Phoren. Farbe auf Skulpturen ist also uralt.
Die Köpfe der Skulpturen von C. S. Bruhn, sind losgelöst aus allem weiteren Geschehen, der surreale Ausdruck hält einen Moment der inneren Empfindung fest, steht still. Die Axialität und Formalität der Darstellung gewährleisten die formale Dichte der Charakteristika des Individuums. Wir schauen die Gesichter an und erkennen etwas, was auch in uns existiert.
Zurückgeworfen auf das Wahrnehmen selbst, wendet sich der Blick wie selbstverständlich auch nach innen, eröffnet die Möglichkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion, zum meditativen Beobachten des eigenen Seins.
Zweifellos ist sich C.S. Bruhn um die suggestive Kraft ihrer Skulpturen bewusst, und dies nicht nur aufgrund der sich an der Distanz des Betrachters ergebenden optischen Zwängen, sondern vor allem aus dem Bestreben, dem Betrachter die Ursprünglichkeit einer Idee, die am Ende nur noch abgeschwächt zum Ausdruck kommt, zu vermitteln.
Sie verleiht dem Kopf in der Wahrnehmung eine bannende Lebendigkeit. Der Betrachter beschwört im Nachvollzug der Arbeit, der sehenden und gestalterischen Künstlerin die rätselhafte Präsenz des Mitmenschen erneut herauf. Diese mit immer neuer Intensität zu gestalten, ist das grosse Ziel.
Viele Ihrer Büsten sind ursprünglich Porträts. Sie werden jedoch durch die axensymetrische Haltung wieder entindividualisiert – was zum Teil diesen Ausdruck der “Ruhe” hervorruft. Die Möglichkeit eine Figur in einen atmosphärischen, bildhaften Zusammenhang zu bringen – ist es ihr “einen Raum zu geben”. So entwickelte sie ihre “Figur-Raum-Idee”, die in ihren kleinen ausgestellten Maquetten (Häuser) als Terracotta zu sehen sind. Gestalten wachsen aus den den Wänden oder tauchen in sie wieder hinein. Verlassene Gegenstände stehen in dreiseitig begrenztem Raum, so entsteht ein ausdruckvolles Wechselspiel zwischen Figur, Raum und Wand. Alles bildhafte hat etwas mit Raum zu tun. Hier liegen schon die ersten Anfänge für ihre spätere Theaterarbeit, diese Ideen in lebensgrosse Fassung zu bringen.
Dazu äussert sich C.S.Bruhn wie folgt:
“Meine plastische Arbeit ist, zunächst unverändert in die Theaterarbeit eingeflossen, umgekehrt hat die Theaterarbeit keine Wirkung auf meine plastischen Themen. Theater ist Sprache und Bewegung. Plastik ist zur Ruhe gekommener unendlicher Moment”.
Ihre Skulpturen: Schiffe, Häuser und Grablegungen sind eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins, dem Woher und Wohin, dem Leben nach dem Tod, in sehr expressiv künstlerischen Ausführung. Sie eröffnen dem Betrachter eine neue Wahrnehmung der Beziehung von Leben und Tod. In der plastischen Umsetzung ihrer Schiffe spielt der Gedanke an die griechische Mytlogie eine bedeutende Rolle – Die Figur des Fährmann’s – Charon der Fährmann, geleitet mit dem Schiff, die Seelen der Toten über den Fluß Acheron zum Eingang der Unterwelt.
Diese Figur des Fährmanns fand auch immer wieder Eingang in die Kunst. In Dantes “Göttlicher Kommödie”, geschrieben im 14. Jahrhundert, ist es der Fährmann der “Dante und Vergil” über den Fluß bringt. Die Skulpturen-Häuser, im eigentlichen Sinne, sind Häuser der Heilung, in ihnen spielt die rituelle Waschung, das reinigende Ritual, das auch in unserer christlichen Kultur, und allen Kulturgemeinschaften der Welt praktiziert wird, eine wichtige Rolle. Wichtig für das Weiterleben im Jenseits, war die Unversehrtheit des menschlichen Körpers. Die Grablegungen sind der letzte Aggregatzustand des Menschen, danach bleibt nur noch Geist und Seele. Alle diese Werke strahlen eine eigenartige Zerbrechlickeit aus. Sich selbst fremd und eigenartig beziehungslos und doch nicht, scheinen sich diese Skulturen im Raum zu bewegen.
Clarissa Bruhn’s Zeichnungen und Aquarelle haben etwas surreales, sie sind Stationen einer inneren Reise zu den Grenzen, die das Bewusstein vom Unbewussten trennen. Sie stellen eine einzigartige künstlerische Leistung dar, bei der symbolische Bilder, als Zeichen einer persönlichen Sprache verwendet werden.
Ihr Thema, das Bild des Menschen und der existenziellen Not. Körper als Figur im Raum, als Erscheinung auf der Bühne eines absurden Theaters, als Objekt der Begierde, als Projektionsfläche oder Masstab der Dinge. Wichtig für Clarissa S. Bruhn ist die Bedeutung des prozesshaften – sowohl in ihrem Denken wie Arbeiten. Die Vielseitigkeit ihrer bildhauerischen Formfindung machen den Zauber ihrer Skulpturen aus. Die Ausstellung gibt einen interessanten Einblick in das bildhauerische Schaffen der Künstlerin, das sich in beständiger, produktiver Wechselwirkung zwischen freier Arbeit und Theaterarbeit weiterentwickelt.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Ein paar Worte zur Künstlerin:
[Günther Troll]
Als Bildhauerin steht Clarissa S. Bruhn in der Familientradition Ihrer berühmten Großtante “Rene Sintenis”, die in den 20-Jahren zusammen mit Käthe Kollwitz zu den bedeutensten internationalen Bildhauerinnen gehörte, die als eine der ersten Frauen an der Berliner Akademie eine Professur für Bildhauerei innenhatte und durch ihre emanzipierte Persönlichkeit eine der meist fotografierte Künstlerpersönlichkeit der Weimarer Republik war. Eines ihrer bis Heute bekanntestes Werk, ist der “Berliner Bär” der jedes Jahr zu den Filmfestspielen in Berlin verliehen wird. Ihr Mentor war der international bekannte Galerist Alfred Flechtheim. Zu Ihrem Freundeskreis gehörten Persönlichkeit wie, Ernst Barlach, Rainer Maria Rilke, Andre Gide, Asta Nielsen, Albert Einstein, Max Liebermann, sie war Förderin von Joachim Ringelnatz etc.
Clarissa S. Bruhn in Stuttgart geboren. 1965-1966 Studium an der Ecole des Arts Decoratives de Geneve, Skulptur bei Professor Stanulis. 1968-1974 Studium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste, Berlin, Bildhauerei bei den Professoren Bernhard Heiliger und Kenneth Armitage. Meisterschülerin bei Professor Joachim Schmettau. 1974 Stipendium des DAAD für Florenz, betreuender Professor Florino Bodini, Gastatelier in der Villa Romana. 1976-1995 Skulpturen, Theaterarbeit: Plastiken, Kostüme, Objekte und Bühnenbild. 1986-2000 Lehrtätigkeiten. 2000-2017 freie Arbeit im Atelier und Ausstellungen in London, Wien, Insbruck.
Ihr gesamtes Schaffen widmet die Künstlerin der Auseinandersetzung mit der Materialität und Wahrnehmung der menschlichen Figur. Wie wenigen, gelingt es ihr, die “Figur” als künstlerisches Medium sinnlich und geistig erlebbar zu machen. Das Wechselspiel zwischen Figur, Materialität und Raum ist was sie interessiert. Alles bildhafte hat bei ihr auch etwas mit Raum zu tun. Hier liegen schon die ersten Anfänge für ihre spätere Theaterarbeit, diese Ideen in lebensgrosse Fassung zu bringen.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis 1976 der international bekannte Regisseur Peter Stein, auf sie aufmerksam wurde. Peter Stein und Andere, ließen wie in den 20er und 30er Jahren eine Tradition wieder aufleben, bildende Künstler, Entwürfe für Bühnenräume und Ausstattungen, der damaligen Avantgarde Theater anzufertigen. So auch heute aktuell in Bayreuth, für die Wagner-Oper “Lohengrin”, mit dem Künstlerehepaar Neo Rauch und Rosa Loy.
Er holte die Bildhauerin an sein Theater, die Schaubühne am Helleschen Ufer, Berlin, um für seine grossen Shakespeare Produktionen in den CCC-Studios, Skulpturen zu machen. Diese Arbeiten schlossen Kostüme mit ein, die sich aber meist aus der Plastik entwickelten, sowie Teile des Bühnenbildes, die Enviroment Charakter hatten. Das war dann auch für Clarissa S. Bruhn der Beginn ihrer bildhauerisch, künstlerischen Tätigkeit für das Theater. Die Liste ihrer nun folgenden Auftragsarbeiten und Zusammenarbeit mit Theatern liest sich dann auch wie das “Who is Who” der besten Theater-Regisseure und Theater-Bühnen.
AUSZUG:
1978 Große Ausstellung im “Haus der Kunst, München”. 1979 Freie Volksbühne Berlin, “Platonov”, Regie: Luc Bondy, Schillertheater “Antigone”, 1980 Schaubühne am Lehninger Platz, “Orestie”, Regie Peter Stein, Herstellung der Erynnien, plastische Aufbauten aus schwarzem Gummi mit Öl und Kaolin überzogen. 1980 bis 1981 BMW-Museum, “Zeitsignale”, Konzept Wilfried Minks und Eberhard Schöner. 62 lebensgroße Plastiken in verschiedenen Technik und Materialien, von realistischen Polyesterplastiken über Gips, mit Papier überklebten Figuren bis hin zu genähten, stark abstrahierten Gebilden. 1981 Schaubühne, “Der blaue Boll” von Barlach, Regie: F.P. Steckel, Kostüme und Plastiken. 1982 Schillertheater, “Stella”, Regie: E. Wendt, Kostümausstattung. 1983 Schauspielhaus Hamburg, Puntila”, Regie: F.P. Steckel, Expressiv bemalte Filzkostüme. 1984 Schauspielhaus Hamburg, “Troerinnen”, Regie: Erich Wendt. Auf die Schauspieler aufgebaute Kostüme, aus Mull gewickelt, mit Lehm und Farben bestrichen, Krusten, Häute und archaische Hüllen. Zum Teil vor jeder Vorstellung neu hergestellt. 1988 Schauspielhaus Hamburg. Für Wilfried Minks ein Stück, das nur aus zehn lebensgroßen Plastiken bestand, die auf der Bühne installiert waren und auf die sprechende Gesichter projiziert wurden. Die Gesichter der Figuren waren so geschliffen, dass die Projektion den Eindruck hervorrief, es handele sich um lebendig sprechende Menschen. 1990 Wiener Staatsoper, Salzburger Festspiele, Regie: Luc Bondy, verschiedene plastische Arbeiten. 1986 bis 2000 zusätzliche Lehrtätigkeiten. 2000 bis 2017 freie Arbeit im Atelier in der Lüneburger Heide und Stuttgart. Ausstellungen in London, Barbican Centre, Wien und Insbruck. Theaterarbeiten in Berlin und der Schweiz.
Linde Arndt für EN-Mosaik aus Gevelsberg
Hier noch einige Fotos der Vernissage –
Alle Fotos (c) Linde Arndt
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