Demokratie braucht Demokraten
Programm der 12. „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen
rechte Gewalt“ wurde vorgestellt
Gevelsberg. Selbstverständliche Tugenden wie Toleranz, Verständnis füreinander und
Solidarität sind bundesweit innerhalb der Gesellschaft stark ins Wanken geraten. Das
friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zu
bewahren und zu fördern, ist daher nicht nur eine wichtige Aufgabe der Politik, auch die
Bürgerschaft ist diesbezüglich gefordert. Getragen von diesem Leitgedanken findet seit
2008 in Gevelsberg die „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“ statt,
welche gefördert wird vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“.
Auch in diesem Jahr möchte das dafür zuständige Gevelsberger Aktionsbündnis wieder Zeichen setzen gegen jedwede Form von Gewalt und Rechtsextremismus und engagiert sich daher mit unterschiedlichen Veranstaltungen, die das weltoffene Verständnis der Bürgerschaft weiterhin stärken und Sorge dafür trägt, dass innerhalb von Gevelsberg alle Menschen gleich welcher Nationalität, Herkunft oder Religion friedvoll und ohne jede Diskriminierung zusammen leben können.
In der vergangenen Woche wurde das Programm der 12.Aktionswoche vorgestellt, die vom 04. bis 10. November veranstaltet wird und mit einer Bandbreite an Veranstaltungen
für Bürger und Schulklassen aufwartet.
In seinen Begrüßungsworten sagte Bürgermeister
Claus Jacobi, dass die Aktionswoche im Laufe der letzten Jahre immer mehr an Schwung
und Dynamik gewonnen habe. Was mitunter auch daran läge, dass sich mittlerweile auch
die weiterführenden Schulen in das Bündnis mit eigenständigen Aktionen einbrächten.
Programm für die Bürgerschaft
Den Anfang macht am 4. November Mehmet Daimagüler, Opferanwalt der Nebenklage im
NSU-Prozess. Mit einer Lesung aus seinem Buch „Empörung reicht nicht“ möchte er an
alle appellieren, Demokratie nicht für selbstverständlich zu nehmen, sondern sie gegen
Hass und Extremismus zu verteidigen. Im Rahmen dieser Lesung wird zudem dann auch
die Fotoausstellung „4074 Tage – Tatorte der NSU-Morde“ der Fotografin Gabriele
Reckhard in der VHS eröffnet. Bei dieser Ausstellung werden jene zehn Tatorte sichtbar,
an denen rechtsradikale Täter des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“
(NSU) zehn Menschen ermordet haben.
Dr. Heiner Sasse wird am 6. November sowohl die seelische Struktur wie auch ihre
Entstehung durch Beziehungserfahrungen genauer untersuchen. Das genauere „Wie“ und
„Wozu“ des Beziehungsgeschehens wird dabei konkret dargestellt und in den
Auswirkungen erläutert. Ziel des Abends soll sein, ein Verständnis von seelischer Struktur,
Beziehungsdynamik und damit für seelische Gesundheit, seelische Erkrankung und damit
auch für Gewaltbereitschaft oder für Empathie und Solidarität aufzubauen.
Stammtischparolen kommen meistens plötzlich und unerwartet auf den Tisch. Viele fühlen
sich davon überrumpelt, wollen reagieren, aber ihnen fällt nichts Passendes ein. Ein
Argumentationstraining gegen solche Sprüche wie zum Beispiel „Asylanten sind
Sozialschmarotzer“ soll daher am 8. November allen interessierten Bürgern vermitteln, wie
Einmischung wirkungsvoll funktionieren kann, ohne dabei arrogant, moralisierend oder
aggressiv aufzutreten.
Auch das Städtische Jugendzentrum beteiligt sich an der diesjährigen „Aktionswoche für
Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“. Am 8. November wird im hauseigenen Café ein
selbstproduzierte Film gezeigt, in dem Jugendliche unterschiedlichster Herkunft von ihrer
aktuellen Lebenswelt berichten. Dabei sollen weniger die Unterschiede, als vielmehr die
Gemeinsamkeiten im Mittelpunkt stehen und die verschiedenen Lebenswelten miteinander
verbinden.
Am 9. November wird der exzellente und bekannte Berliner Jazzmusiker Janko
Lauenberger an der Swing-Gitarre gemeinsam mit Bernd Huber an der Violine sein
musikalisches Repertoire in einem Konzert im Bürgerzentrum der VHS darbieten. Beide
sind Frontmusiker der Kultband „Sinti Swing Berlin“ und Gewinner des „Berliner Blues &
Jazz Award“ von 2005. Darüber hinaus wird das Duo auch die Gedenkveranstaltung zum
81. Jahrestag der Novemberpogrome musikalisch begleiten, die am 10. November am
Mahnmal vor dem Rathaus stattfinden wird und bei der Prof. Dr. Klaus–Michael Bogdal,
Literaturwissenschaftler und Mitglied der Unabhängigen Kommission Antiziganismus der
Bundesregierung, als Hauptredner fungiert.
Janko Lauenbergers Urgroßcousine war im übrigen Unku, bekannt aus dem Jugendroman
„Ede und Unku“, der in der einstigen DDR Pflichtlektüre an den Schulen war und die
Geschichte der Freundschaft zwischen dem Jungen Ede und dem Zigeunermädchen
Unku erzählt, die 1944 von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde. Als ein Zeitbild der
späten 20er Jahre in Berlin und in Verbindung zu den Auftritten von Jank Lauenberger
zeigt das filmriss Kino am 10. November den Film „Als Unku Edes Freundin war“. Hierbei
wird am Beispiel ihrer Annäherung gezeigt, wie Vorurteile ab- und Verständnis aufgebaut
werden können.
Auch die Stadtbücherei beteiligt sich wieder an der Aktionswoche und bietet interessierten
Leserinnen und Lesern einen Büchertisch sowie eine Literaturliste rund um die
Themengebiete Rechte Gewalt und Zivilcourage. Zudem besteht für alle Schulen die
Möglichkeit, sich zur Thematik passende Vorlesekoffer auszuleihen.
Programm für Schulklassen
Wie schon in den Jahren zuvor, so wird es selbstverständlich auch in diesem Jahr wieder
zahlreiche Veranstaltungen für Schulklassen geben. Da wären unter anderem die Statt-
Rundfahrt des antifaschistischen Arbeitskreises, ein Kinoseminar zum Propagandafilm
„.Hitlerjunge Quex“, ein Jugendkulturprojekt des AWO Jugendmigrationsdienstes zum
Thema „Antiziganismus“ sowie eine Begegnung mit den „Kindern des Widerstandes“ und
die von der VVN-BdA zusammen mit anderen Organisationen herausgebrachte und
aktualisierte Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“.
Schülerinnen und Schüler der Städtischen Realschule Gevelsberg präsentieren ein
Theaterstück zum Thema Zivilcourage und bearbeiten Stationen, um Grundschülern
Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten für Situationen, die Zivilcourage verlangen, auf
den Weg mit zu geben. Die Hauptschule wird die ganze Woche über einzelne
Projektarbeiten zu den Themen Rassismus und Zivilcourage durchführen und am
Städtischen Gymnasium wird eine „Schulausstellung über das Konzentrationslager
Bergen-Belsen“ zu sehen sein.
Programm nach der Aktionswoche
Darüber hinaus wird es im Anschluss an die Aktionswoche am 17. November im filmriss
Kino einen Auftritt „Der drei Rothemden“ geben und Firas Alshater – Autor, You Tuber,
geflüchtet aus Syrien – berichtet am 9. Dezember in der Stadtbücherei über seine
Erlebnisse und Begegnungen während seiner Reise quer durch Deutschland. Zum
Abschluss der programmvorstellung hob Bürgermeister Claus Jacobi noch einmal hervor,
dass durch eine starke finanzielle Eigeninitiative der Bündnispartner, der Unterstützung
des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und vor allem dem unermüdlichen
ehrenamtlichen Engagement der Beteiligten konnte auch die 12. Aktionswoche
abwechslungsreich, vielfältig und für die Besucherinnen und Besucher kostenlos gestaltet
werden. Denn Toleranz und Zivilcourage heißt: Hinsehen, Hinhören und Mitreden!
André Sicks
Programm
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